ZRI 2024, 571

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2024 Literatur

Bamforth, Richard/Gandhi, Kushal (Hrsg.), Arbitration and Insolvency,

Edward Elgar Publishing, Cheltenham, UK/Northampton, MA, USA, 2024, xxxi und 236 S., 145 £, eBook 116 £, ISBN: 978 1 80088 738 1
In einer globalen Wirtschaft erlangen Schiedsverfahren zunehmende Bedeutung. Insolvenzverwalter werden daher immer wieder mit einem laufenden Schiedsverfahren zwischen dem Schuldner und einem seiner Vertragspartner oder mit bereits abgeschlossenen Schiedsvereinbarungen konfrontiert. Außerdem stehen sie mitunter vor der Frage, ob es nicht sinnvoll sein könnte, einen masserelevanten Rechtsstreit den staatlichen Gerichten zu entziehen und ihn durch Abschluss einer Schiedsvereinbarung mit der Gegenseite in einem in aller Regel schnel-ZRI 2024, 572leren und effizienteren Verfahren zu erledigen. Dabei stellen sich typische Rechtsfragen, etwa die nach der Bindung des Insolvenzverwalters an vom Schuldner abgeschlossene Schiedsvereinbarungen oder gegen ihn ergangene Schiedssprüche, nach der (Unterbrechungs-)Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf das Schiedsverfahren oder nach der Möglichkeit von Widerklagen in einem vor einem Schiedsgericht ausgetragenen Feststellungsprozess (ausf. dazu Bork, SchiedsVZ 2022, 139 ff. und European Insolvency and Restructuring Journal 2022-5).
In der vorliegenden Schrift haben die Herausgeber Richard Bamforth und Kushal Gandhi (beide sind Partner bei CMS London, deren internationale Schiedsverfahrensabteilung Bamforth leitet) einen Kreis von 15 Autorinnen und Autoren versammelt, die – mit zwei Ausnahmen (aus der Wissenschaft kommen Vesna Lazić und Manuel Penades) – der Anwaltschaft entstammen und weltweite Erfahrung als Schiedsrichter und Parteivertreter in Schiedsverfahren vorweisen können. Sie haben den Stoff in zehn – jeweils mit Randnummern versehenen – Kapiteln unter sich aufgeteilt. Nach einem von den Herausgebern verfassten einführenden Kapitel befasst sich Manuel Penades mit der Frage, ob es sich bei einer Insolvenz in einem Schiedsverfahren um eine prozessuale oder eine materiell-rechtliche Angelegenheit handelt, bevor sich Peter Ashford den Auswirkungen der Insolvenz auf die Schiedsvereinbarung zuwendet. In einem vierten Kapitel beschäftigen sich Andrew Ayres, Alexander Thompson und Fiona Whiteside mit der Schiedsfähigkeit von Insolvenzansprüchen. Das von Michal Hain verfasste fünfte Kapitel geht der Frage nach, ob ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden kann, wenn die Insolvenz von Forderungen abhängt, für die eine Schiedsvereinbarung existiert. Emily Saunderson erörtert die Möglichkeit von vorläufigen Maßnahmen durch das Schiedsgericht und im siebten Kapitel werden von Vesna Lazić noch einmal die Auswirkungen einer Parteiinsolvenz auf ein laufendes Schiedsverfahren behandelt. Tony Beswetherick und Maria Kennedy diskutieren ganz ähnlich die Auswirkungen einer ausländischen Insolvenz auf ein Schiedsverfahren in England. In den beiden abschließenden Kapiteln geht es um den Einfluss von Insolvenzverfahren auf die Vollstreckung von Schiedssprüchen (Jeremy Mash und Tilman Niedermair) sowie auf das in England für die Bauindustrie vorgesehene Zwischenverfahren vor einem adjudicator (Adrian Bell, Aidan Steensma und Emma Riddle).
In weiten Bereichen steht das englische Recht, wie es insbesondere durch den Arbitration Act 1996 und den Insolvency Act 1986 geprägt ist, im Mittelpunkt. Das gilt nicht nur für die schon thematisch auf England konzentrierten Kapitel 8 und 10, sondern auch für viele andere Passagen, beginnend beim ersten – einführenden – Kapitel (vgl. Rdnr. 1.09 ff., 1.17 ff.) bis hin zu ausführlichen Überlegungen zur Schiedsfähigkeit insolvenzrechtlicher Ansprüche nach englischem Recht (Rdnr. 4.51 ff.). Insbesondere erklärt sich die sehr spezielle, aus Sicht anderer Jurisdiktionen sicher überraschende Thematik des fünften Kapitels (Kann ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden, wenn die Insolvenz von Forderungen abhängt, für die eine Schiedsvereinbarung existiert?) aus einem sehr besonderen Verständnis der Wirkungen einer Schiedsklausel. Die Rechtsprechung in England geht hier merkwürdigerweise davon aus, dass solche Forderungen insolvenzrechtlich nicht berücksichtigt werden können, weil das staatliche Gericht daran gehindert ist, diese Forderungen – und sei es auch nur summarisch – zu prüfen. Hain setzt sich mit dieser Rechtsprechung kritisch auseinander und legt überzeugend dar, dass andere an das common law gebundene Gerichte dem zu Recht nicht gefolgt sind.
Es gibt aber auch Kapitel, in denen die Thematik aus internationaler Perspektive behandelt wird, so dass sowohl grenzüberschreitende Aspekte als auch rechtsvergleichende Elemente angeboten werden (wobei freilich das UNCITRAL Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1985 nur ganz am Rande vorkommt). Dieser deutlich weitere Ansatz ist vor allem dem sehr informativen siebenten Kapitel zu den Auswirkungen der Insolvenz einer Partei auf das Schiedsverfahren und dem der Schiedsspruchvollstreckung gewidmeten neunten Kapitel zu bescheinigen, in dem u. a. das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958 mitsamt dazu ergangener internationaler Rechtsprechung mit einbezogen wird.
Zwischen den einzelnen Kapiteln gibt es zwangsläufig Überschneidungen. So wird etwa die Auswirkung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf eine Schiedsvereinbarung nicht nur ganz zentral im dritten Kapitel, sondern auch bei Rdnr. 1.27 ff. und 2.30 f. behandelt und die Unterbrechungswirkung der Insolvenzeröffnung auch für Schiedsverfahren ist nicht nur Thema des zentralen siebenten Kapitels, sondern wird auch in anderen Zusammenhängen erörtert (z. B. Rdnr. 2.26, 2.56 ff., 8.35 ff.). Das mindert aber die Qualität dieses Buches nicht, sondern trägt eher zum Verständnis der internationalen Vielfalt bei.
Wie bei englischen Verlagen üblich weist das Buch nicht nur ein Paragrafenregister (S. xxvii-xxxi) und ein Stichwortverzeichnis auf (S. 226-236), sondern auch ein durchaus hilfreiches Register der zitierten Rechtsprechung, sortiert nach Jurisdiktionen (S. xvi-xxvi). Allerdings hätten hier die nicht-englischen Fälle, auch insoweit typisch für englische Publikationen, noch genauerer Lektorierung bedurft. So ist beispielsweise der Beschluss des deutschen BGH vom 29. 1. 2009 (III ZB 88/07) ebenso zweimal aufgeführt – einmal unter „BGH“ und einmal unter „Supreme Court“ – wie die Entscheidung vom 14. 9. 2000 (III ZR 33/00) – einmal unter „BGH“ und einmal, etwas skurril, unter „Germany the ‚Plumber’s Case‘.“
Insgesamt bietet das Buch einen sehr interessanten und informativen Einblick in das Spannungsverhältnis zwischen Insolvenz- und Schiedsverfahrensrecht. Es ist kein Handbuch für diese Problematik und bringt den deutschen Praktiker noch am ehesten weiter, wenn es um das englische Recht geht. Aber eine spannende und weiterführende Lektüre für denjenigen, der über den konkreten Fall hinaus interessiert ist, bietet das Werk allemal.
Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg

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