ZRI 2024, 612

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2699-0490 Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz ZRI 2024 Literatur

Cuniberti, Gilles/Leandro, Antonio, The European Insolvency Regulation and Implementing Legislations – A Commentary,

Edward Elgar Publishing, Cheltenham, UK / Northampton, MA, USA, 2024, xlix und 718 Seiten, 265 £, eBook 212 £, ISBN: 978 1 80220 520 6
Die Familie der englischsprachigen Kommentare zur EuInsVO hat ein neues Mitglied: Das kürzlich erschienene, von Cuniberti und Leandro herausgegebene Werk bereichert die Palette um eine weitere Orientierungs- und Verständnishilfe. Die Liste der deutschsprachigen Kommentare wird immer länger – je nach Zählweise gibt es inzwischen sechs eigenständige, nur der EuInsVO gewidmete Kommentare und zusätzlich angegliederte Kommentierungen in praktisch allen InsO-Kommentaren. Hingegen beschränkt sich die englischsprachige Literatur (die international deutlich größere Chancen hat, zur Kenntnis genommen zu werden) bisher auf die Werke von Bělohlávek, Bork/van Zwieten, Brinkmann und Moss/Fletcher/Isaacs. Da kommt ein zusätzlicher Band zu diesem Gebiet gerade recht.
Vom Konzept her handelt es sich um einen „Article-by-Article-Commentary“, also einen Kommentar, in dem die EuInsVO Artikel für Artikel erläutert wird. Das wäre aus deutscher Sicht eigentlich keiner Erwähnung wert. Aus englischer Sicht ist das aber etwas sehr „Kontinentales“. Kommentare im hierzulande üblichen Stil gibt es dort eher selten. Zum Insolvency Act 1986 beispielsweise liegt kein einziger Kommentar vor. Das führt bei den englischen Verlagen immer wieder zu Irritationen, etwa wenn routinemäßig Kapitelzusammenfassungen verlangt werden, die bei einer Gesetzeskommentierung natürlich keinen Sinn ergeben.
Die Herausgeber Cuniberti und Leandro haben ein Team von 13 weiteren Autorinnen und Autoren versammelt, die sich die Arbeit des Kommentierens mit ihnen teilen. Bei einem für den europäischen Markt geschriebenen Werk ist es sinnvoll, ein europäisches Team aufzustellen, damit das zu kommentierende Gesetz nicht nur durch eine einzige nationale Brille gesehen wird. Das lässt sich nicht bei allen englischsprachigen Kommentaren zur EuInsVO feststellen, ist hier aber vortrefflich gelungen. Die Bearbeiterinnen und Bearbeiter kommen aus acht Jurisdiktionen (Belgien, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Polen). Sie sind ganz überwiegend Professorinnen und Professoren, ergänzt um eine Richterin und einen Anwalt, und haben durchweg über die Grenzen ihres Landes hinaus insolvenzrechtliche Reputation. Dass sich sieben von ihnen die Bearbeitung von Art. 2 EuInsVO teilen, ist übrigens ein interessanter Ansatz, weil so jeder diejenigen Definitionen kommentieren kann, die im Mittelpunkt der von ihm erläuterten spezielleren Normen stehen. So behandelt etwa van Galen, der das 5. Kapitel über die Konzerninsolvenz (Art. 56 – 77 EuInsVO) kommentiert, zugleich auch die Definitionen von „group of companies“ und „parent undertaking“ (Art. 2 (13) und (14) EuInsVO), wodurch Widersprüche und Friktionen vermieden werden.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Autorinnen und Autoren wissenschaftlich sorgfältig arbeiten. Die wichtigste englische und französische, mitunter auch deutsche Literatur wird neben der der jeweils eigenen Jurisdiktion zitiert und ausgewertet, freilich meistens beschränkt auf andere Kommentare und grundlegende Monographien; Nachweise aus der Aufsatzliteratur finden sich nur vereinzelt. Etwas weiter gespannt ist der Bogen bei der Auswertung der Rechtsprechung. Hier wird nicht nur die des EuGH analysiert, sondern es werden immer wieder auch Entscheidungen nationaler Gerichte angeführt (worüber ein ausführliches Entscheidungsregister Auskunft gibt).
Inhaltlich bleibt die Kommentierung freilich nicht bei der bloßen Erläuterung anhand von Literatur und Rechtsprechung stehen. Vielmehr finden sich durchweg auch kritische Stellungnahmen und weiterführende Ansätze. Exemplarisch sei die Kommentierung des Art. 8 EuInsVO durch Struycken hervorgehoben. Hier werden zunächst die einzelnen Absätze der Norm mit ihren Tatbestandsmerkmalen in der in Kontinentaleuropa üblichen Art und Weise erläutert. Dabei werden Rechtsprechung und (Buch-)Literatur gründlich verarbeitet, wobei man über einige Flüchtigkeitsfehler (exemplarisch: Kommentarbearbeiter fehlt in Fußn. 7; der in Fußn. 9 erwähnte Art. 13 ist seit neun Jahren Art. 16) hinwegsehen muss. Am Ende findet sich eine ausführliche kritische Bewertung der Norm (Rz. 8.072 ff.). Sie geht mit der üblichen Rechtfertigung der Vorschrift (sie sei nötig, um dem Sicherungsnehmer Vertrauensschutz zu gewährleisten), mit Recht hart ins Gericht (Rz. 8.082 f.). Die Kritik des Autors mündet in dem Satz, Art. 8 sei „based on outdated, inappropriate and perhaps objectionable assumptions and presuppositions“, im Grunde handele es sich um ein Armutszeugnis (Rz. 8.103). Die Konsequenz, die der Autor daraus zieht, ist aber nicht die ersatzlose Streichung der Norm, sondern ihre Ersetzung durch eine ausführlichere Regel (Rz. 8.104). Sie bezieht in ihrem Absatz 1 Sicherungsrechte an in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Gegenständen in das Insolvenzverfahren mit ein, macht dazu in Absatz 2 für dingliche Nutzungsrechte eine Ausnahme (sie bleiben vom Insolvenzverfahren unberührt) und erstreckt in Absatz 3 die Rechtsfolgen des Absatzes 1 auf Rechte, die eine bevorzugte Befriedigung aus dem Erlös einer bestimmten Sache gewähren (was zugegebenermaßen nur selten der Fall sein wird, da privileges typischerweise nur Rangvorrechte bei der Schlussverteilung begründen, nicht aber dingliche Rechte an konkreten Vermögensgegenständen).
Die Edition überzeugt durch einen reichhaltigen Anhang. Neben dem bereits erwähnten Entscheidungsregister und einer nach Jurisdiktionen geordneten Auflistung der im Text erwähnten Normen findet sich ein Abdruck derjenigen Vorschriften der nationalen Rechte, die die nationale Durchführung der EuInsVO regeln. Das ist in Deutschland Art. 102c EGInsO (wobei diese Norm im Kommentar auf S. 643 irrigerweise der InsO zugeschrieben wird). Hinzu kommt eine sehr ausführliche Bibliographie, die nicht nur die zitierte allgemeine Literatur zur EuInsVO auflistet, sondern auch die etwas speziellere, die geordnet nach den Kapiteln der EuInsVO aufgeführt ist. Ein umfangreiches Stichwortverzeichnis schließt das Buch ab.
Insgesamt kann sich der europäische Markt über diese Bereicherung im Angebot englischsprachiger EuInsVO-Kommentare freuen, zu der man Herausgebern und Autorenteam nur gratulieren kann!
Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg

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